AT-Tagebuch von Slow Down (Norbert)

Appalachian Trail 2013 und 2016

   Jun 28

23 Tag Thorsten – Gathland State Park / Knoxville

Es wird Zeit fuer den sicher nicht ganz unmelancholischen Abgesang – 20 Wandertage mit 197 erwanderten (und 108,5 gefahrenen) Meilen liegen hinter mir und auf Lagerfeuerromantik, Gluehwuermchen und das naechtliche Hinneinhorchen in den Wald werde ich wohl fuer laengere Zeit verzichten muessen…

Wir hatten ein Ziel: Harpers Ferry vor dem 28.06. zu erreichen und Norbert hatte den „Masterplan“ – dann ereilte uns Regen „in Massen“ in den ersten Tagen und die ehrliche Erkenntnis, dass alles, was mehr als 12 bis 14 Meilen Tagesstrecke bedeutet, fuer mich eher zur Qual denn zur Wanderfreude wird. Also haben wir den Masterplan den realen Rahmenbedingungen erfolgreich angepasst – ein einfacher fuer einige wohl aber eher ein zu einfacher (?) Prozess…

Ueber die Neuausrichtung innerer Werte habe ich ja schon am Beispiel von Quellwasser und dem Apfel versucht zu berichten. Das Leben mit der Natur und die Akzeptanz dessen, dass sie uns zum Handeln gezwungen hat und nicht wir auch nur im Entferntesten ihr unseren Lebensstil aufzwingen konnten, waren essentiell. Nebenbei bemerkt: mehr Respekt vor der Natur wuerde vielen um uns gut zu Gesicht stehen!

Fuer mich war es wichtig das andere, als das aus dem Fernsehen und der Weltpolitik bekannte, Amerika zu finden und es war zu finden: hilfsbereite, einfach „gestrickte“, unaufgesetzt freundliche und vor allen Dingen oekologisch angehaucht denkende Menschen, die diese einmalige Landschaft primaer um ihrer selbst Willen bewahren wollen…

Zu Fuss auf den Spuren des Buergerkriegs zu wandeln oder von selbst erklommenen Anhoehen hinab in das Shenandoahtal zu schauen ist eben doch etwas anderes als auf dem Highway oder der Scenic-route vorbeizusausen. Was moegen wohl die ersten Siedler gedacht haben, als sie die fuer sie zu eng werdende Kueste verlassend, sich mit dem Planwagen durch ein gap in den Appalachen zwaengten und diesen Anblick genossen?!? Ist nicht die eigentliche Ursache des Buergerkriegs, naemlich die Bewahrung der Einheit der Union, ein Erklaerungsmuster fuer den mir noch immer uebertrieben vorkommenden Patriotismus und Fahnenkult (eben der union jack)?!? Was einem so alles durch den Kopf geht, wenn man durch die Botanik streift…

Zu guter Letzt wurden natuerlich altbekannte Klisches bedient:

– das an der Tankstelle gekaufte Bier kam in die braune Papier- oder undurchsichtige Plastiktuete, obwohl doch schon der Sixpack einen Griff hat…

– die Harleys mit den wuestesten Anbauten (Seitenwagen oder Anhaengern) sind eben doch eher „Sofas mit 2 Raedern“ als Motorraeder (da haette Hr. Lange seine wahrste Freude gehabt…)

– liegen zwischen Motelunterkunft und angeschlosenem Restaurant mehr als gut 200 Meter Wegstrecke, faehrt der Ami mit dem Auto

– in Sachen Werbeunterbrechungen bei Fernsehserien (z. B. big baeng Theorie) sind die Amis nach wie vor unschlagbar

– Wohnmobile gegen die so manche Schrebergartenlaube mehr als nur erblasst

– und ein aktueller politischer Fingerzeig zum Abschluss der Aufzaehlung: lese gerade so einige Passagen im Buch „Liberty and Tyranny – a conservative manifesto“ von Mark R. Levin (u.a. Berater des Kabinetts von Reagan – obwohl noch jung an Jahren). Blos gut, dass unsere „pace and copy“-Spezialisten von Union und FDP sich bisher ungefaehrlicherer Quellen bedient haben! Trotzdem taete so mancher von Inklusionsgedanken getragener Sozialromantiker gut daran sich mal dem Kapitel „on the welfare state“ zu widmen (wie heisst es doch so schoen: vom (Klassen)feind lernen, heisst Siegen lernen – aber wir versuchen ja erstmal einen (nicht nur fuer hiesige Verhaeltnisse miniaturhaft anmutenden) Flughafen zu bauen).

Abschliesend nochmals herzlichen Dank allen Kommentatoren, Appern sowie Wettersimsern und auf bald!!!

 

 

 

 

 

 

 

 

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2 Comments

  1. Karin sagt:

    „Am Ziele deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen: dein Wandern zum Ziel.“
    Marie von Ebner-Eschenbach
    Glückwunsch Euch Beiden und und gute Heimkehr, sicher mit Wehmut, aber viel „Input“.
    Wir freuen uns auf „output“!

    LG von Karin

  2. Gabi Homeyer sagt:

    Nach den 20 Wandertagen hast Du ja sehr viel tiefschürfende Schlussfolgerrungen gezogen, die mir so schlüssig nachzuvollziehen, ehrlich gesagt, momentan schwer fällt, da ich nicht die seelische Ruhe und innere Einkehr vorweisen kann, die Du sicher in der Weite und Freiheit der Wildnis verinnerlicht hast. Ich freue mich daher sehr, dann von Dir persönlich noch viel mehr zu erfahren!Ich wünsche Euch einen guten Heimflug, bis bald! Liebe Grüße Gabi